
Inhalt:
1. Begriffsklärung: Ethik, Mensch
2. Beziehungsgefüge: Religion - Wissenschaft 
- Ethik 
3. Medizinische Ethik in den verschiedenen Religionen
4. Leiden/ Behinderung und Ethik 
5. Leben und Ethik
6. Tod und Ethik 
7. Bioethik-Konvention
8. Praktische Ethik nach Peter Singer
Literatur
 
1. Begriffsklärung: Ethik, Mensch
Ethik 
    - Funktion der Ethik: alte Fehler nicht immer wieder neu machen 
    
 - moderne Ethik raubt dem Menschen immer mehr das Geheimnis des Beginns 
    und des Endes seiner Existenz 
    
        - dem Anfang des menschlichen Lebens geht sein Geheimnis verloren, 
        indem das Leben selbst technisch reproduzierbar geworden ist und 
        
 - dem Ende dadurch, dass der Vorgang des Sterbens in einzelne Teiltode 
        zerlegt wird 
    
 
 
Drei Geschichten von der Menschwerdung des Menschen 
    - Die Menschwerdung des Menschen in der Sicht der anthropologischen und 
    der Verhaltensforschung 
    
        - ausgehend davon, was den Menschen vom Tier unterscheidet (Entdeckung 
        des Feuers, Fähigkeit Werkzeuge herzustellen, Hirnwachstum, aufrechter 
        Gang, Sprachfähigkeit) 
        
 - Humanität, als die Achtung vor dem Menschen als Menschen, ist 
        nicht angeboren, sondern muss menschheitsgeschichtlich erworben und 
        errungen werden 
    
 
     - Die Menschwerdung des Menschen in religionsgeschichtlicher Sicht 
    
        - beim archaischen Menschen wurde eine Zweibeiner erst durch die geordnete, 
        rituelle Aufnahme in die Gemeinschaft zum Menschen zweite oder soziale 
        Geburt 
        
 - bei vielen Völkern wurden Kinder, wenn sie behindert, missgestaltet 
        oder mit einem anderen, das Heil der Gruppe bedrohenden Defizit behaftet 
        waren, nicht in den Kreis aufgenommen, sondern getötet 
        
            - das war aber kein Mord, da diese Wesen ohne die soziale Geburt 
            noch nicht als Mensch angesehen wurden 
        
 
     
    
        - bis heute haben wir gelernt, die Zugehörigkeit zum Kreise der 
        Menschen vorzuverlegen und zu erweitern: schon durch physische Geburt, 
        bzw. schon vom Augenblick der Befruchtung der Eizelle an bewerten wir 
        Leben als menschliches Leben, das Anrecht auf den mit der Menschenwürde 
        gegebenen Schutz hat 
    
 
     - Eine biblische Geschichte von der Menschwerdung des Menschen 
    
        - Geschichte vom Sündenfall: quasi-zeitliche Darstellungsweise, 
        die erzählt, wie der erste Mensch zum ersten Mal die Hand Ausstreckt 
        zum Selber-Tun, zum Selber-Wollen und zum Selber-Verantworten und damit 
        in den Horizont der Geschichte eintritt, zugleich die Tür zum Paradies 
        hinter sich zuwerfend 
        
 - von nun an ist Geschichte, Kultur, Mündigkeit die neue Möglichkeit 
        und zugleich unentrinnbare Bestimmung des Menschen 
    
 
 
 
2. Beziehungsgefüge: Religion -
Wissenschaft - Ethik 
    - ethischer Grundsatz: diagnostische Verfahren - jedenfalls risikoreiche 
    - sind nur zu rechtfertigen, wenn prinzipiell die Möglichkeit eines 
    therapeutischen Nutzens für das betroffene Individuum daraus resultiert 
    
    
 - Diagnose, die das Ziel hat, den Träger einer Krankheit zu töten, 
    kann sicher nicht als therapeutische Methode für diesen selbst bezeichnet 
    werden 
    
        - nicht das ungeborene Kind, sondern die Familie oder die Gesellschaft 
        wird als therapeutisches Objekt aufgefasst 
    
 
     - Neuerung für die medizinische Ethik 
    
 - fundamentale ethische und zugleich theologische Frage: 
    
        - Gibt es etwas, was dem Menschen grundsätzlich verboten, erlaubt 
        und geboten ist, nur von den guten oder bösen Zielen und Folgen 
        her, also vom Gebrauch, den der Mensch von seinem Wissen und Können 
        macht? 
        
 - Ist Wissenschaft an sich gut oder wenigstens wertneutral; wird sie 
        nur durch ihre Anwendung, durch die Ziele, die der Mensch mit ihr verfolgt, 
        gut oder böse? 
        
 - theologisch gesprochen: Ist Wissenschaft an sich frei von Sünde? 
        Oder ist es möglich, dass Wissenschaft an sich, als Erforschung 
        des Seienden, als Wahrheitssuche doch nicht sündenfrei ist? 
    
 
     - zunehmend hat sich in den letzten Jahrzehnten auch die Theologie und 
    selbst die Kirche für die Freiheit der wissenschaftlichen Neugierde 
    eingesetzt und behauptet, Wissenschaft sei immer Wahrheitssuche und als 
    solche sündenfrei 
    
        - damit war nicht nur die grenzenlose Neugierde, sondern - da die 
        neuzeitliche Wissenschaft mit der Erforschung der Natur immer zugleich 
        auf Machtgewinn und Herrschaft über die Natur ausgerichtet ist 
        - auch die Unterwerfung der Natur unter vom Menschen gesetzte Zwecke 
        philosophisch und meist auch theologisch gerechtfertigt 
    
 
     - man kann die Erforschung der Natur nicht mehr verbieten, jedoch ist 
    zu beachten, dass die neuzeitliche Wissenschaft die Natur nicht mehr - wie 
    in der Antike - in erster Linie erforscht, um sie besser zu verstehen und 
    sich dann gemäß den Ordnungen der Natur zu verhalten 
    
        - die Natur wurde als Lehrmeisterin und Norm für menschliches 
        Handeln betrachtet und möglichst nicht verändert (höchstens 
        gemäß den Absichten, die in der Natur selbst liegen) 
        
 - zunehmend ausgeweitet zu einem grenzenlosen Herrschaftsrecht des 
        Menschen über die Natur 
        
 - zielt auf Machtgewinn über die Natur und keinesfalls mehr nur 
        auf die Erkenntnis der Wirklichkeit 
    
 
     - Wissenschaft ist überhaupt nicht loszulösen von den Personen 
    und gesellschaftlichen Institutionen, die sei betreiben, und diese wiederum 
    sind nicht frei von Interessen und Bedürfnissen, wie dem streben nach 
    Anerkennung und ökonomischem Gewinn 
    
 - die Natur wird nicht mehr als Schöpfung und der Mensch als Vernunftwesen 
    nicht mehr als Geschöpf, sondern als Herr der Natur betrachtet, der 
    der Natur den Stempel seines Geistes aufprägen soll 
    
 - Achtung vor der Natur als Schöpfung Gottes und der Kreatur als 
    Mitkreatur, Ehrfurcht vor dem Leben und eine Ethik der Selbstbegrenzung 
    sind diesem neuzeitlichen Wissenschaftsverständnis fremd 
    
 - Ziele der Forschung: dass der Mensch total über sich selbst, sein 
    leibliche Verfasstheit, seine Fortpflanzung, den Zeitpunkt seines Todes 
    und die gesamte Entwicklung des Lebens verfügt 
    
 - zur Legitimation des neuzeitlichen Verhältnisses des Menschen zur 
    Natur werden einseitig diejenigen Bibelstellen herangezogen, die die Herrschaft 
    über die Natur als göttliche Bestimmung des Menschen herausstellen 
    
    
        
            - Genesis 1, 28: Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid 
            fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie 
            euch untertan, und herrschet über die Fische im Meer und die 
            Vögel des Himmels, über das Vieh und alle Tiere, die auf 
            der Erde sich regen! 
            
 - Psalmen 8, 7: Du setztest ihn zum Herrscher über das Werk 
            deiner Hände, alles hast du ihm unter die Füße gelegt: 
            (...) 
        
 
    
    
        - werden überspitzt so interpretiert, als sei der Mensch nicht 
        eingebunden ins natürliche Dasein, sondern er sei das eigentliche 
        Gegenüber und der Herr der Schöpfung 
        
 - dabei wird verkannt, dass alle Kreatur - und somit auch der Mensch 
        - nur ein Leben hat, sofern und solange Gott seinen Leben schaffenden 
        Geist gibt 
        
            - Genesis 2, 7: (...) da bildete Gott der Herr den Menschen aus 
            Erde vom Ackerboden und hauchte ihm Lebensodem in die Nase; so ward 
            der Mensch ein lebendes Wesen. 
            
 - Psalmen 104, 29 f.: Wenn du dein Angesicht verbirgst, erschrecken 
            sie; nimmst du ihren Odem hin, so verscheiden sie und werden wieder 
            zu Staub. Sendest du deinen Odem aus, so werden sie geschaffen, 
            und du erneust das Antlitz der Erde. 
            
        
 
     
     - an den Krankenheilungen Jesu wird ersichtlich, dass Jesus die ernsthafte 
    Krankheit nirgends als ein Gottes Willen entsprechendes Verhängnis 
    bejaht, geschweige den vom Segen der Krankheit geredet, sondern sie immer 
    bekämpft hat 
    
 - wenigstens die das Leben schwer belastende oder gar zerstörende 
    Krankheit kann - wie die Sünde - nur als Gestalt und Ausdruck der Macht 
    des Nichtigen verstanden werden, das Gott nicht gewollt, nicht geschaffen 
    und nicht bejaht hat 
    
 - das Wissen darum, dass Sünde, Krankheiten, Elend und der in ihrem 
    Gefolge auftretende Tod nicht zu Gottes guter Schöpfung gehören, 
    dass Gott diese Leben zerstörenden Mächte verneint und bekämpft, 
    stachelt zum berechtigten Kampf gegen die negativen, zerstörerischen 
    Seiten der Natur an und ist eine der geistigen Ursachen der abendländischen 
    und neuzeitlichen Medizin 
    
 - in der Natur, wie wir sie vorfinden, sind also Natur als Schöpfung 
    Gottes und Unnatur als das, was Gottes Schöpfung zerstört und 
    nur in dieser von Gott verneinten Wirkung seine Existenz hat, in oft undurchsichtiger 
    Weise vermischt 
    
        - somit kommt es nicht nur darauf an, dass wir die Übel in der 
        Natur und in der Welt bekämpfen und ob wir in die Natur eingreifen, 
        sondern vor allem wie, mit welchen Zielsetzungen und Mitteln wir es 
        tun 
        
 - es besteht die Gefahr, dass mit den bekämpften Übeln auch 
        die gute Natur zerstört oder vernichtet wird und den zerstörerischen 
        Faktoren in dieser Welt durch Menschenhand weitere zufügt, ja vielleicht 
        viel mehr Übel durch die Eingriffe erzeugt als beseitigt werden 
        
    
 
     - ethische Regel: Eingriffe in die natürlichen Lebensprozesse sollten 
    um so behutsamer, langsamer und kontrollierter vorgenommen werden, je tiefer 
    durch sie die biologischen Grundlagen des Lebens erfasst und umgestaltet 
    werden können und je weniger die Folgen solchen Handelns absehbar sind 
    
    
 - nachdem Jahrhunderte lang Schöpfung und Naturwissenschaft nicht 
    nur durch ein "und" verbunden, sondern durch ein strenges „entweder 
    - oder" einander entgegengesetzt worden waren, hatte sich seit Beginn 
    unseres Jahrhunderts ein Bewusstseinswandel angebahnt, der die alten Frontstellungen 
    aufgebrochen und zu einer differenzierten Beurteilung geführt hat, 
    die und gelehrt hat, beiden Sichtweisen (der naturwissenschaftlichen Welterklärung 
    und technischen Weltgestaltung und der theologischen Deutung der Welt als 
    Schöpfung Gottes) ihr begrenztes Recht einzuräumen 
    
 - jetzt ist die alte Frage wieder aufgebrochen durch zwei Aspekte: 
    
        - sehr rasanter Aufschwung naturwissenschaftlich-technischer Leistungen, 
        so dass viele Menschen das Gefühl haben, der überlieferte 
        Glaube an die Schöpfung könne mit dem atemberaubenden Tempo 
        solcher Forschungen doch nicht Schritt halten 
        
 - Fundamentalismus, der aus den USA kommt und unter dem Namen „Creationismus" 
        wieder die Unvereinbarkeit der biblischen Schöpfungslehre mit naturwissenschaftlicher 
        Forschung, vor allem auch mit der biologischen Evolutionstheorie, behauptet 
        und zu beweisen versucht 
    
 
     - Geschichte kirchlicher Forschungsverbote hat bisher stets mit Niederlagen 
    für die Kirche geendet 
    
 - Streit um die Schöpfung wurde nicht nur nach außen, gegen 
    die Wissenschaft geführt, sondern auch nach innen: 
    
        - Dürfen die biblischen Aussagen über die Schöpfung 
        wirklich als erd- und menschheitsgeschichtliche Daten gelesen werden 
        oder verweist Schöpfung möglicherweise in ganz andere Zusammenhänge? 
        
        
            - biblische Rede von der Schöpfung formuliert keine Sachverhalte, 
            die sich durch empirische Forschung verifizieren oder falsifizieren 
            lassen, sondern ein Bekenntnis; d.h. sie gibt Antwort auf die Frage 
            nach grundlegender Sinnorientierung unseres Lebens 
        
 
     
     - Eigenart der biblischen Überlieferung selbst verbietet es uns, 
    aus ihren Aussagen quasi naturwissenschaftliche Sätze herauszulesen, 
    die gegen alle Vernunft und gegen alle Erfahrung geglaubt und von der Forschung 
    als dogmatische Vorgabe akzeptiert werden müssten 
    
        - Adam ist natürlich nicht der erste Mensch im Sinne der Abstammungslehre, 
        Adam ist nicht der Name einer historischen Person der Menschheitsgeschichte, 
        sondern bedeutet ein Kollektivum, das den Menschen im Sinne des Wesensbegriffs 
        bezeichnet 
    
 
     - Gottesbildlichkeit des Menschen in Genesis 1, 27 (Und Gott schuf den 
    Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; ...): ist 
    keine konstatierende Beschreibung, sondern vielmehr an der Benennung der 
    Konsequenzen der dem Menschen zugewiesenen Funktion interessiert 
    
 - Mensch ist mit doppeltem Auftrag in die Welt gesetzt: 
    
        - Auftrag zur Stellvertretung Gottes gegenüber der außermenschlichen 
        Welt 
        
 - Gemeinschaft zwischen den Menschen 
    
 
     - kann sein Menschsein nur in der eigenverantwortlichen Erprobung seiner 
    Möglichkeiten ergreifen 
    
        - Ergreifen der eigenen Verantwortung ist unerlässliche Bedingung 
        für die Menschwerdung des Menschen 
    
 
     - Jesus hat den Menschen in den Mittelpunkt seiner Botschaft und seiner 
    Lebensführung gerückt und damit den auf Gemeinschaft zielenden 
    Teil des Schöpfungsauftrages beispielhaft verwirklicht 
    
 - die Bibel ist kein Gesetzbuch für alle Zeiten und Lebenslagen; 
    Ethik sucht darum nicht zunächst Einzelanweisungen, sondern Grundlinien 
    der Orientierung über Leben und Welt in der Bibel 
    
        - in der Bibel aufbewahrte Einzelanweisungen sind geschichtlich zu 
        interpretieren; inwieweit sich zeitbedingte Regelungen finden, die in 
        veränderten Situationen so nicht mehr geltend gemacht werden können 
        
        
 - Fortschritte der modernen Wissenschaft und Technik stellen Ethik 
        vor ganz neue Fragen, die für unsere Überlieferung keine Weisungen 
        bereithält; wir müssen sehen, inwieweit aus der mit dem Wort 
        Schöpfung bezeichneten Grundorientierung Richtungsdaten zu gewinnen 
        sind, 
        
 - Christen können sich aus dem Streit um solche Fragen nicht 
        heraushalten; Schöpfungsverantwortung äußert sich im 
        beharrlichen Fragen: wem dient oder schadet diese oder jede Maßnahme 
        und wer bezahlt den (meist nicht nur finanziellen) Preis? 
    
 
 
 
3. Medizinische Ethik in den verschiedenen
Religionen
Die medizinische Ethik im Katholizismus 
    - Tätigkeit des Arztes als Nachahmung der heilenden Wirkung Christi 
    
    
 - seit 1971 in USA geltende Normen: Ethical and Religious Directives for 
    Catholic Health Care Facilities 
    
        - katholische Kirche bleibt übergeordnete Instanz für die 
        ethischen Entscheidungen in der Naturwissenschaft und Medizin: Richtlinien 
        legen unmissverständlich die in verschiedenen Problemkreisen der 
        medizinischen Ethik jeweils als richtig angesehene Entscheidung fest 
        
        
            - künstliche Kontrazeption ist falsch 
            
 - Sterilisation ist mit Ausnahme der therapeutischen Entfernung 
            erkrankter Organe ebenfalls nicht statthaft 
            
 - auch die künstliche Insemination mit dem Samen des Mannes 
            wird abgelehnt 
            
 - kein Unterschied zwischen Maßnahmen, die die Implantation 
            des befruchteten Eies behindern und solchen, die einen Abortus zur 
            Folge haben 
            
 - bei einer extrauterinen Schwangerschaft darf erst dann eingegriffen 
            werden, wenn der Schaden der benachbarten Organe ein Ausmaß 
            erreicht, das ein operatives Vorgehen rechtfertigt (trotz der Gefahr 
            einer bleibenden Sterilität) 
        
 
     
 
Die medizinische Ethik aus der Sicht des Protestantismus 
    - keine offiziellen Richtlinien zu Fragen der ärztlichen Ethik, aber 
    Stellungnahmen zu bestimmten spezifischen Problemen 
    
 - kirchlich begründete Bejahung der Kontrazeption 
    
 - Meinungen hinsichtlich der Abtreibung variieren zum Teil stark, volle 
    Übereinstimmung jedoch darüber, dass bei Gefahr für das Leben 
    der Mutter die Indikation gegeben ist 
    
 - Sterbehilfe: Recht des unheilbar Kranken, auf weitere medizinische Maßnahmen 
    zu verzichten, um eine Verlängerung seines Sterbens zu verhindern; 
    aktive Euthanasie wird abgelehnt 
 
Richtlinien der jüdischen Religion 
    - Heilung der Kranken gilt als religiöses Gebot 
    
 - Jeder, der die Möglichkeit hat, ein Leben zu retten und dies unterlässt, 
    handelt gegen die Vorschrift 
    
 - Notwendigkeit, alle Patienten gleich zu behandeln 
    
 - auch für das geistige Wohl sollte gesorgt werden (Ausübung 
    der religiösen Pflichten ermöglichen) 
 
Die Haltung des Islam in Fragen der medizinischen Ethik 
    - medizinische Ethik wird durch die Weisungen des Koran bestimmt: das 
    Leben und der Tod kommen von Allah und er ist es, der tötet und lebendig 
    macht 
    
 - Kindestötung und somit auch Abtreibung sind verboten 
    
 - bei Gefahr für das Leben der Mutter bejahen viele Ärzte den 
    Schwangerschaftsabbruch 
    
 - gewisse Mehrdeutigkeit in der Interpretation der Weisungen des Korans 
    in Fragestellungen, die sich aus der Anwendung neuer therapeutischer Maßnahmen 
    ergeben 
 
 
4. Leiden/ Behinderung und Ethik 
    - wenn Artikel 2 des Grundgesetzes das Recht auf Leben und körperliche 
    Unversehrtheit als Grundrecht proklamiert, dann folgt daraus 
    
        - niemand hat das Recht, das Leben oder die Gesundheit eines anderen 
        Menschen zu beschädigen, auch nicht das eigene Leben und die eigene 
        Gesundheit 
        
 - Unterscheidung zwischen veränderbaren und nicht veränderbaren 
        Bedingungen einer Lebenssituation; es müssen alle verantwortbaren 
        und zumutbaren Schritte unternommen werden, um beeinflussbare Störungen 
        auszuschalten und damit vermeidbare Beeinträchtigungen zu beseitigen 
        
        
 - erkennbare Beeinträchtigung gibt uns nicht das Recht, einen 
        solchen Menschen gar nicht erst zum Leben kommen zu lassen 
    
 
     - Behinderte und Nichtbehinderte sind Menschen mit unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen 
    und darum unterschiedlichen Möglichkeitshorizonten, die lernen müssen, 
    mit ihren Beeinträchtigungen zu leben, d.h. zu bessern, was gebessert 
    werden kann und anzunehmen, was nicht zu ändern ist 
    
 - Zielrichtung der biblischen Rede von der Schöpfung: es gibt kein 
    Recht auf beschädigungsfreie Erstausstattung, kein Recht auf Gesundheit 
    oder nichtbehinderte Kinder 
    
 - gerade auch durch genetische Fehlregulationen und Normabweichungen gewinnen 
    die Krankheiten und damit das Leben zerstörende Böse Macht in 
    der guten Schöpfung Gottes 
    
        - es kann daher, theologisch betrachtet, nicht grundsätzlich 
        unerlaubt sein, Krankheiten auf genetischer Ebene zu bekämpfen 
        
    
 
     - es gibt sehr viele Abweichungen von der biologischen Norm, bei denen 
    fraglich ist, ob ihnen Krankheitswert zukommt; diesen bekommen sie erst, 
    wenn sie mit körperlichem oder seelischem Leiden verbundene erhebliche 
    Lebenseinschränkungen nach sich ziehen 
    
        - wenn man nicht ausschließlich die Heilung, sondern auch den 
        Schutz des Lebens unter die therapeutischen Ziele fasst, dann lassen 
        sich auch die Bestrebungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen, etwa 
        die Steigerung von Nahrungserträgen, berechtigterweise darunter 
        einordnen 
    
 
     - es entsteht leicht ein gesellschaftlicher Zwang zur Gesundheit und zur 
    Eliminierung gesellschaftlich unerwünschten Lebens 
    
 - christliche Ethik hat darauf aufmerksam zu machen, dass es neben der 
    Gesundheit andere Werte gibt, von deren Beachtung die Humanität in 
    der Gesellschaft abhängt 
    
        - dazu gehört nicht zuletzt die Achtung vor dem Leben, insbesondere 
        der Würde des Menschenlebens und sein Schutz vor dem Gebrauch als 
        reinem Mittel zum Zweck 
    
 
     - ethische Regel: 
    
        - Der Krankheitswert einer Abweichung von der biologischen Norm sollte 
        um so eindeutiger sein und schwerer wiegen, je tiefer durch die Methoden 
        zur Behandlung der Krankheit in das natürliche Lebensgeschehen 
        eingegriffen wird und je außergewöhnlicher, aufwendiger und/ 
        oder in ihren sozialen und moralischen Folgen bedenklicher diese Methoden 
        sind. 
    
 
     - die meisten Menschen leben mit Behinderungen 
    
 - behinderter Mensch hat andere Lebensbedingungen als die meisten, aber 
    die meisten, eigentlich alle, müssen, jeder auf seine Weise, mit Beeinträchtigungen 
    fertig werden, die sich nicht wegschaffen lassen 
    
 - nicht unter dem Gesichtspunkt der Höher- oder Minderwertigkeit, 
    sondern der Andersartigkeit der Lebensbedingungen betrachten 
    
 - alle Menschen müssen mit Begrenzungen leben und erfahren diese 
    Begrenzungen als Beeinträchtigungen; dazu kommt, dass Menschen unterschiedlich 
    belastungs- und leidensfähig sind 
    
 - wir verstehen Gesundheit als die Bereitschaft und Fähigkeit und 
    Kraft, mit den Begrenzungen oder Störungen oder Schädigungen zu 
    leben 
    
 - geschichtliches Erbe des Christentums 
    
        - Genesis 1, 31 (Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und 
        siehe, es war sehr gut.) kann nicht nur für die heile Welt gelten, 
        sondern auch für Menschen, die mit Beeinträchtigungen leben 
        müssen 
        
 - dass Jesus kranke und behinderte Menschen geheilt hat, wird von 
        der neutestamentlichen Forschung als sicher angesehen 
        
 - Jesus wies die allgemein übliche Bewertung von Krankheit als 
        Folge von Verfehlungen und Sünden zurück und bahnte dagegen 
        eine Bewegung der Solidarisierung mit diesen Menschen an 
        
 - Achtung vor jedem Menschen 
        
 - in jeder Situation am Vertrauen festhalten, dass Gottes bergende 
        Hand uns immer hält und trägt 
        
 - Jesus heilte nicht alle Krankheiten, sein Heilungsimpuls zielte 
        auf Störungen in den Lebensbeziehungen von Menschen ab 
    
 
     - Grenzverschiebungen 
    
        - heutige Möglichkeiten von Reanimation und Intensivmedizin versetzen 
        uns in die Lage, Leben zu retten und Operationen unter Bedingungen durchzuführen, 
        für die es früher nur eine eindeutige Prognose gab: Sterben 
        und Tod; wir können aber auch einen Menschen in einem Zustand am 
        Leben erhalten, bei dem seine geistigen Fähigkeiten und für 
        uns erkennbaren kommunikativen Möglichkeiten erloschen sind 
        
 - früher lernten wir ein Kind erst bei seiner Geburt kennen, 
        heute können wir sein Geschlecht, seine genetische Struktur sowie 
        Entwicklungsstörungen und Schädigungen während seiner 
        Entwicklung bereits im Mutterleib erkennen 
        
 - verschwommene Grenze: Abtreibung bis zur Geburt hin nach §218 
        erlaubt, aber Frühgeburten können am Leben erhalten werden 
        
        
 - Korrekturmöglichkeiten für Schäden und Fehler 
    
 
     - Grundsätze: 
    
        - Niemand hat ein Recht zu töten 
        
        
 - behinderte Menschen sind Menschen 
        mit anderen Startbedingungen, aber ohne Einbuße an Menschenrechten 
        und Menschenwürde 
        
 - Grenze der ärztlichen Behandlungspflicht 
        ist der irreversible Funktionsausfall des Gehirns (Hirntod) 
        
 - wenn sich ein neugeborenes Kind 
        als sterbendes erweist, ist es ein Gebot der Vernunft und der Menschlichkeit, 
        dieses Kind sterben zu lassen 
    
 
     - Abtreibung 
    
        - erste Frage sollte nicht auf das 
        Ausmaß der möglichen Schädigungen abzielen, sondern 
        darauf, ob es grundsätzlich und auf Dauer, gegebenenfalls mit Hilfe 
        und Unterstützung ärztlichen Eingreifens imstande ist, aus 
        eigener Kraft zu leben 
        
 - Brücke, die nachgeburtliche 
        Medizin mit der vorgeburtlichen Diagnostik verbindet: Abtreibung 
        
 - bloße Möglichkeit der 
        Abtreibung wird schnell zur zwingenden Praxis, wenn bei Nachweis einer 
        schweren psychogenetischen oder biochemischen Anomalie als einzige Konsequenz 
        der Schwangerschaftsabbruch zur Vermeidung der Geburt eines genetisch 
        kranken Kindes bleibt 
        
 - gesellschaftliche Erwartung legt 
        Frauen (besonders wenn sie über 35 Jahre alt sind) die moralische, 
        womöglich versicherungsrechtliche Verpflichtung auf, sich den entsprechenden 
        Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen, um im Falle einer nachweisbaren 
        Schädigung eine Abtreibung herbeizuführen 
        
 - planmäßiger Einsatz des 
        Schwangerschaftsabbruchs zur Selektion (zur Verhinderung behinderter 
        Kinder) in Verbindung mit einer sich ausbreitenden Reklamationsmentalität 
        
        
 - es muss anerkannt werden, dass durch 
        Pränatale Diagnostik manche Abtreibungen verhindert werden, die 
        sonst vielleicht aus Sorge vor einer möglichen Schädigung 
        des Kindes vorgenommen würden 
    
 
     - Einbecker Empfehlungen zur Früheuthanasie 
    - Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht bei schwergeschädigten 
    Neugeborenen (Revidierte Fassung 1992) 
    
        - Präambel: 
        
            - Orientierungshilfe für 
            die konkrete, vom einzelnen Arzt jeweils zu verantwortende Situation 
            
            
 - Ausgangspunkt bleibt die grundsätzliche 
            Unverfügbarkeit menschlichen  
            Lebens in jeder Entwicklungs- und Altersstufe 
        
 
         - Kapitel 1: 
        
        
            - das menschliche Leben ist ein 
            Wert höchsten Ranges 
            
 - Abstufung des Schutzes des Lebens 
            nach der sozialen Wertigkeit, der Nützlichkeit oder dem geistigen 
            Zustand verstößt gegen Sittengesetz und Verfassung 
        
 
         - Kapitel 2: 
        
        
            - gezielte Verkürzung des 
            Lebens eines Neugeborenen durch aktive Eingriffe ist Tötung 
            und verstößt gegen die Rechts- und die ärztliche 
            Berufsordnung 
            
 - Umstand, dass dem Neugeborenen 
            ein Leben mit Behinderungen bevorsteht, rechtfertigt es nicht, lebenserhaltende 
            Maßnahmen zu unterlassen oder abzubrechen 
        
 
         - Kapitel 3: 
        
        
            - Pflicht zur Behandlung und zur 
            personalen Betreuung endet mit der Feststellung des Todes des Neugeborenen 
            
        
 
         - Kapitel 4: 
        
        
            - Arzt ist verpflichtet, Leben 
            zu erhalten sowie bestehende Schädigungen zu beheben oder zu 
            mildern 
            
 - Behandlungspflicht ist an ethischen 
            Kriterien und am Heilauftrag auszurichten 
            
 - es gibt Fälle, in denen 
            der Arzt nicht den ganzen Umfang der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten 
            ausschöpfen muss 
        
 
         - Kapitel 5: 
        
        
            - Situation ist gegeben, wenn 
            nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erfahrungen und menschlichem 
            Ermessen das Leben des Neugeborenen nicht auf Dauer erhalten werden 
            kann, sondern ein zu erwartender Tod nur hinausgezögert wird 
            
        
 
         - Kapitel 6: 
        
        
            - aufgrund der begrenzten Prognosesicherheit 
            besteht für den Arzt ein Beurteilungsrahmen für die Indikation 
            von medizinischen Behandlungsmaßnahmen, insbesondere, wenn 
            diese dem Neugeborenen nur ein Leben mit äußerst schweren 
            Schädigungen ermöglichen würden, für die keine 
            Besserungschancen bestehen 
        
 
         - Kapitel 7: 
        
        
            - auch, wenn im Einzelfall eine 
            absolute Verpflichtung zu lebensverlängernden Maßnahmen 
            nicht besteht, hat der Arzt für eine ausreichende Grundversorgung 
            des neugeborenen, für Leidenslinderung und menschliche Zuwendung 
            zu sorgen 
        
 
         - Kapitel 8: 
        
        
            - Eltern/ Sorgeberechtigte sind 
            über die bei ihrem Kind vorliegenden Schäden und deren 
            Folgen sowie über die Behandlungsmöglichkeiten und deren 
            Konsequenzen aufzuklären 
            
 - auch die Erfahrungen der mit 
            der Betreuung und Pflege des Kindes vertrauten Personen gehen in 
            die Entscheidungen mit ein 
            
 - gegen den Willen der Eltern 
            darf eine Behandlung nicht unterlassen oder abgebrochen werden 
        
 
     
     - Atheisten sehen im Vorhandensein von 
    Leid einen Beweis gegen die Existenz Gottes 
    
 - neuere prozesstheologische Lösungsversuche: 
    
    
        - These, dass Gott nicht allmächtig ist 
        
 - Theodizee der Seelenbildung (Ziel der Schöpfung: freie Menschen 
        erschaffen; Freiheit bedeutet, dass sie nicht nur das Gute, sondern 
        auch das Böse und das Leid kennen lernen) 
    
 
     - Religion kann für einen Behinderten eine große Hilfe sein, 
    wenn man sich als Geschöpf Gottes versteht und sein Leben in allen 
    Ausprägungen so von Gott gewollt versteht und es somit als sinnerfüllt 
    wahrnimmt 
    
 - heutzutage möchten Menschen der westlichen Welt ihr Leben als Karriere 
    betrachten können 
    
        - Menschen, die auf der Erfolgsleiter durch Erkrankung oder Unfallfolgen 
        daran gehindert sind, die zuvor gesetzten Ziele zu erfüllen, genügen 
        dem allgemeinen, und vor allem dem eigenen Leistungsanspruch nicht mehr 
        
        
 - da das Selbstwertbewusstsein in unserer Gesellschaft über Leistung 
        und Arbeitsfähigkeit definiert wird, verlieren diese Menschen zumindest 
        anfangs zwangsläufig an Selbstachtung 
    
 
 
 
5. Leben und Ethik
Eingriffe in Keimzellen 
    - der Mensch schickt sich an, selbst Schöpfer von Leben zu werden, 
    menschliches Leben nach seinem Bild zu formen 
    
        - dabei ist zu bedenken, dass durch 
        einen einmaligen Eingriff in die Keimzellen das Leben aller Nachkommen 
        bestimmt wird 
        
 - diese zeitliche Dimension eines 
        solchen Eingriffs ist von entscheidender ethischer Bedeutung, denn gegenwärtig 
        Lebende entscheiden damit über das Geschick zukünftiger Generationen, 
        legen sie auf das von ihnen jetzt entworfene Bild in einer Weise fest, 
        wie es durch sonstiges Handeln kaum möglich ist 
    
 
     - für viele Christen stellt sich 
    nun - wenn auch meist erst bei der Anwendung gentechnischer Methoden an 
    Keimzellen von Menschen - die Frage, ob denn dann der Mensch noch als Geschöpf 
    Gottes verstanden werden kann 
    
        - die Alternative: entweder handelt 
        Gott oder der Mensch, ist theologisch nicht haltbar, weil Gottes Handeln 
        nicht als eine Weltursache neben anderen auf der selben seinsmäßigen 
        ebene gedacht werden darf und daher menschliches Handeln auch nicht 
        in Konkurrenz zum göttlichen handeln treten muss 
        
 - der Mensch kann mit seinem Handeln 
        einbezogen sein in Gottes schöpferisches Wirken 
    
 
     - dem Gedanken, das Werden eines Kindes 
    sei die kausale Folge eines Willensentschlusses und Werkes des Menschen, 
    entspricht 
    
        - einerseits die Forderung, ein werdendes 
        Kind wegmachen zu dürfen, wenn es ein ungewolltes, unvorhergesehenes 
        Produkt des Zufalls ist oder nicht unseren Vorstellungen von sogenanntem 
        lebenswerten Leben entspricht, und 
        
 - andererseits der Wille es mit technischen 
        Mitteln zu machen, wenn es sich nicht als Naturereignis einstellt 
    
 
     - Verständnis von Leben hat erhebliche 
    ethische Konsequenzen: 
    
        - wenn Leben, auch nichtmenschliches 
        Leben, sein Daseinsrecht von Gott hat, dann hat es der willkürlichen 
        Verfügungsgewalt und der totalen Besitzergreifung durch den Menschen 
        entnommen zu sein 
    
 
     - anthropozentrische Sicht der Schöpfung 
    ging bestenfalls davon aus, dass sich die Lebensstufen hierarchisch aufbauen, 
    dass die niedrigeren Lebensstufen nicht nur Grundlage des höheren Lebens 
    sind, sondern ihren Zweck in der Ermöglichung der höheren Lebensstufe 
    haben, deshalb Mittel für sie sind und von daher ihr Daseinsrecht erst 
    verliehen bekommen, alles Dasein 
    dient letztlich als Mittel für den Menschen 
    
        - dieser Ansatz ist einem anderen 
        Denkmodell unterzuordnen, nach dem alles Dasein, ganz abgesehen von 
        seiner Funktion als Grundlage und Ermöglichung höheren Lebens, 
        zunächst einmal in sich selbst einen unmittelbaren, nicht durch 
        den Menschen vermittelten Bezug zu Gott hat, weil Gott dieses Leben 
        geschaffen hat und erhält, zu ihm ständig in Beziehung tritt 
        und steht 
        
 - so gesehen trägt das nichtmenschliche 
        Leben zunächst erst mal seinen Wert und sein Daseinsrecht in sich 
        selbst, ganz abgesehen von dem Wert für den Menschen, also seinem 
        Nutzen 
    
 
     - biblisch zu sehen ist dies so auszudrücken, 
    dass die Gottesebenbildlichkeit des Menschen sich in seinem Weltverhalten 
    darin bewährt, dass der Mensch Verantwortung für die Schöpfung, 
    die nichtmenschliche, vernunftlose Kreatur übernimmt, die Schöpfung 
    bebaut, bewahrt und pflegt (Genesis 
    2, 15: Und 
    Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass 
    er ihn bebaue und bewahre.) und 
    sie vor rücksichtsloser, den Eigenwert missachtender, sie zu egoistischen 
    Zwecken ge- und verbrauchender Willkür schützt 
    
 - Leben ist also nicht Besitz des Menschen, 
    über den er ausschließlich nach Gesichtspunkten des Nutzens für 
    sich selbst verfügen, ihn entsprechend gebrauchen und verbrauchen darf; 
    Leben ist in anderer Weise zu schützen als Sachen, die der Mensch produziert 
    
    
 - uneingeschränktes Daseinsrecht 
    gilt erst recht für menschliches Leben, das nach christlicher Lehre 
    mit der besonderen Würde der Gottesebenbildlichkeit ausgezeichnet ist 
    
    
 - Mensch ist und wird Person ohne sein 
    Zutun, allein durch Gottes Handeln, das allem menschlichen handeln vorgeordnet 
    ist, demgegenüber er sich nur als passiv empfangendes Wesen verhalten 
    kann; daraus folgt 
    
        - einmal, dass die Würde des 
        Menschen keine empirisch aufweisbare Qualität und Verhaltensweise 
        ist und erst recht nicht aus dem Tun des Menschen sich aufbaut und 
        
 - zum anderen, dass die Gottesebenbildlichkeit 
        ein Kontinuum ist, das von Gott her bleibend jedem Moment unseres Lebens 
        und Sterbens zugeordnet ist 
        
 - das Personsein kann daher weder 
        durch Krankheit, Versehrung, physischen Verfall noch durch moralisches 
        Versagen in Verlust geraten 
        
 - wir haben demnach weder das Recht, 
        einem menschlichen Leben aufgrund eines bestimmten Grades der Entwicklung 
        psychisch-geistiger Fähigkeiten das Personsein zuzusprechen, geschweige 
        denn, ihm diese Würde abzusprechen, es zu nichtmenschlichem Leben 
        zu erklären 
    
 
     - es ist umstritten, inwiefern den frühen 
    Entwicklungsstadien das Prädikat menschliches Leben zukommt 
    
 - die biologische Individualität 
    wird durch die Neukombination der Gene bei den Reifeteilungen und vor allem 
    bei der Verschmelzung des genetischen Materials der Samenzelle mit dem der 
    Eizelle grundgelegt 
    
 - die wertmäßige Differenz 
    zwischen frühen Entwicklungsstadien, unausgereiftem und entfaltetem 
    Leben muss damit nicht geleugnet werden 
    
        - sie bekommt dort ihre ethische Bedeutung 
        für das Handeln, wo sich noch entwickelndes und entfaltetes Leben 
        in eine unabwendbare Konkurrenz zueinander treten, wo das werdende Leben 
        das entfaltete Leben seiner Mutter in seiner physischen und psychischen 
        Gesundheit eindeutig bedroht 
        
            - dann ist dem entfalteten Leben 
            um so mehr der Vorzug zu geben, je mehr es nicht nur für sich 
            selbst, sondern auch für andere Verantwortung zu tragen hat 
            und je weniger weit das werdende Leben entwickelt ist 
        
 
         - eine Rechtfertigung für die 
        Vernichtung von Werdendem Leben kann es nur dann geben, wenn das werdende 
        Leben das entfaltete Leben irgendwie bedroht, wie es beim straffreien 
        Schwangerschaftsabbruch selbst bei der sozialen Notlagenindikation noch 
        vorausgesetzt ist 
    
 
     - es herrscht nicht nur bei Theologen 
    Einigkeit darüber, dass es sich von der Befruchtung an um spezifisch 
    menschliches Leben und damit auf jeden Fall um ein besonderes, eigenständiges 
    Rechtsgut von hohem schützenswerten Rang handelt 
    
        - auch im Stadium der ersten Zellteilung 
        besitzt der Embryo schon die gleiche ethische Qualität wie ein 
        Fetus in der vorgerückten Schwangerschaft (Gegensatz 
        zu Singer) 
    
 
     - Sinnhaftigkeit des Lebens kann nicht 
    durch einen anderen Menschen gesetzt werden 
    
 - es ist bekannt und verständlich, 
    dass Ärzte ihr Handeln bewusst oder unbewusst durch ihre individuellen 
    Wertsetzungen bestimmen lassen; sie bieten beispielsweise eine größere 
    Anstrengung auf, wenn es sich bei der sterbenden Person um einen jüngeren 
    Menschen handelt 
    
 - es ist ein Unrecht, das Leben von aufgeklärten 
    und urteilsfähigen Kranken gegen deren Wille zu verlängern; solchen 
    Patienten wird somit zumindest implizit ein moralisches Recht eingeräumt, 
    zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben, bezüglich ihrer eigenen 
    Person zu entscheiden 
    
        - es ist nicht statthaft, wenn solche 
        Entscheidungen von außen für den nicht (mehr) urteilsfähigen 
        Patienten gefällt werden 
    
 
     - Abtreibung ist länger möglich, 
    wenn pränatal feststellbare Behinderung eindeutig vorliegt; Wert des 
    Embryos wird folglich als geringer eingestuft 
 
 
6. Tod und Ethik 
    - jedes Leid, welches den Betroffenen einen Todeswunsch äußern 
    lässt, ist ernst zu nehmen 
    
        - jedoch Differenzierung nach der Ursache des Leidens: 
        
            - an einem intrinsischen Ursprung 
            (Krankheit, Behinderung, ...) lässt sich in vielen Fällen 
            nichts verändern, aber 
            
 - ein extrinsischer Grund (Nichtgewährung 
            von humaner Hilfe, ...) ist dagegen vermeidbar, wenn die Verursacher 
            dazu bereit sind 
        
 
     
     - wenn Umstände (Behinderung, Krankheit, 
    Isolation) den Betroffenen daran hindern, seine Sozialkontakte zu pflegen, 
    spricht man vom sozialen Tod 
    
        - viele alte Leute erleben den sozialen 
        Tod bereits viele Jahre vor dem eigentlichen Tod 
    
 
     - wenn es Betroffenen für ihre eigene 
    Person unter ihren individuellen Wertmaßstäben unzumutbar erscheint, 
    sich in ein fremdbestimmtes Leben zu begeben, dies aber von der Gesellschaft/ 
    den Leistungsträgern nicht respektiert wird, muss demjenigen die Möglichkeit 
    des Freitodes offen bleiben 
 
 
7. Bioethik-Konvention
Zielsetzung und Inhalt des Übereinkommens
Zielsetzung 
    - Leitlinien: 
    
        - das Übereinkommen soll einen 
        gemeinsamen rechtlichen Rahmen zum Schutz der Menschenrechte und der 
        Menschenwürde bei der Anwendung von Biologie und Medizin im gesamteuropäischen 
        Raum festlegen 
    
 
     - Rahmenkonvention: 
    
        - zu Fragen, zu denen derzeit im europäischen 
        Raum kein Konsens zu erzielen ist, etwa zur Abtreibung oder zu den Grenzen 
        der Sterbehilfe, sind keine Aussagen enthalten 
    
 
 
Allgemeine Grundsätze 
    - Präambel: 
    
        - es wird betont, dass der Mensch sowohl als Individuum als auch als 
        Mitglied der menschlichen Gattung geachtet und seine Menschenwürde 
        gewahrt werden muss 
    
 
 
Artikel 2: Vorrang des menschlichen Lebewesens 
    - weiterer Grundsatz: Interessen des menschlichen Lebewesens haben Vorrang 
    vor rein gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen 
 
Artikel 3: Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung 
    - Verpflichtung zu geeigneten Maßnahmen, um den gleichen Zugang 
    zur Gesundheitsversorgung für jeden ohne Diskriminierung zu gewährleisten 
    
 
Einwilligung
Artikel 5: Allgemeine Aufklärung 
    - hoher Rang des Selbstbestimmungsrechts 
    
 - Einwilligung kann ausdrücklich mündlich oder schriftlich oder 
    in schlüssiger Form gegeben werden; für die Teilnahme an Forschungsprojekten 
    oder für die Entnahme von Körperteilen für Transplantationszwecke 
    muss spezielle, ausdrücklich und eigens erteilte Einwilligung des Patienten 
    eingeholt und schriftlich oder von einer amtlichen Stelle erteilt werden 
    
    
 - Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; 
 
Artikel 6: Schutz einwilligungsunfähiger Personen 
    - betrifft den Schutz einwilligungsunfähiger Personen (Personen, 
    die wegen ihrer mangelnden Reife (Kinder) oder ihres körperlichen oder 
    geistigen Zustands nicht in der Lage sind, eine rechtswirksame Einwilligung 
    abzugeben), bei denen Interventionen grundsätzlich nur zu ihrem unmittelbaren 
    Nutzen vorgenommen werden dürfen 
    
 - ärztliche Maßnahmen bei einwilligungsunfähigen oder 
    bei Erwachsenen sind nur mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zulässig 
    
    
 - die Ansicht von Minderjährigen ist alters- und reifegemäß 
    zu berücksichtigen; auch einwilligungsunfähige Erwachsene sollten 
    in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden, soweit dies irgend möglich 
    ist 
 
Menschliches Genom
Artikel 11: Nichtdiskriminierung 
    - jede Form der Diskriminierung eines Menschen aufgrund seines genetischen 
    Erbes ist verboten 
 
Artikel 12: Prädiktive genetische Tests 
    - regelt die engen Voraussetzungen für prädiktive genetische 
    Tests, die im Zusammenhang mit der Entwicklung einher medizinischen Therapie 
    stehen müssen und nur unter dem Vorbehalt der Gesundheitsbezogenheit 
    und mit angemessener genetischer Beratung durchgeführt werden dürfen 
    
    
 - vorhersagende Untersuchungen für bestimmte genetische Krankheiten 
    eröffnen für einige Patientengruppen die Möglichkeit, eine 
    vorbeugende Behandlung vorzunehmen oder die Risiken durch Veränderung 
    des Verhaltens, des Lebensstils oder der Umwelteinflüsse zu verringern; 
    bei bestimmten Krankheiten besteht diese Möglichkeit nicht 
 
Artikel 13: Interventionen in das menschliche Genom 
    - verbietet Eingriffe in das menschliche Genom, die darauf abzielen, die 
    genetischen Eigenschaften der nachfolgenden Generationen zu verändern; 
    insbesondere genetische Veränderungen an Spermatozoen oder Eizellen, 
    die für die Befruchtung bestimmt sind, sind untersagt 
    
 - aber somatische Gentherapie (erwachsene Körperzellen, nicht aber 
    Keimbahnzellen eines einzelnen Patienten werden verändert) wird nicht 
    verboten 
 
Artikel 14: Verbot der Geschlechtswahl 
    - verbietet die Geschlechtswahl bei Verfahren der Fortpflanzungsmedizin 
    (darunter fallen die künstliche Insemination, die In-Vitro-Fertilisation 
    sowie jedes Verfahren mit der gleichen Wirkung, das die Zeugung außerhalb 
    des natürlichen Ablaufs ermöglicht), einzige Ausnahme ist die 
    Vermeidung schwerer geschlechtsgebundener Erbkrankheiten 
 
Wissenschaftliche Forschung
Artikel 17: Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Forschungsvorhaben 
    - gibt den Staaten die Voraussetzungen und Kriterien vor, die sie mindestens 
    zum Schutz der Betroffenen vorsehen müssen 
    
 - Absatz 1: 
    
        - Forschung an einwilligungsunfähigen ist grundsätzlich 
        nur dann erlaubt, wenn sie potentiellen Nutzen für die Probanden 
        verspricht, der in einem angemessenen Verhältnis zu möglichen 
        Risiken steht und wenn die Forschung mit einwilligungsfähigen Personen 
        nicht möglich ist 
    
 
     - Absatz 2: 
    
        - enthält Ausnahmeregelung für sogenannte überwiegend 
        fremdnützige Krankheitsursachen- und Therapieforschung 
        
 - Voraussetzungen: 
        
            - Möglichkeit der Erforschung ist bei einwilligungsfähigen 
            Personen nicht gegeben 
        
 
        
            - gesetzlicher Vertreter erteilt seine freie Einwilligung nach 
            entsprechender Aufklärung 
            
 - Betroffener hat kein ablehnendes Verhalten zum Ausdruck gebracht 
            
            
 - Forschung geht mit minimalem Risiko und minimaler Belastung 
            (bedeutet alltägliche Methoden, wie etwa Untersuchung und Mitnutzung 
            von Blut-, Speichel- und Urinproben oder das Wiegen, Messen und 
            Beobachten des Patienten) einher 
            
 - interdisziplinär besetzte Ethik-Kommission hat wissenschaftliche 
            Plausibilität und ethische Vertretbarkeit geprüft und 
            gebilligt 
            
 - Forschungsprojekt lässt letztlich Beiträge zu künftigen 
            Heilungschancen durch wesentliche Erweiterung des wissenschaftlichen 
            Verständnisses für den Zustand, die Krankheit oder die 
            Störung der Person erwarten 
        
 
     
 
Artikel 18: Forschung an Embryonen in vitro 
    - schreibt angemessenen Schutz für den Embryo vor und verbietet die 
    Herstellung von Embryonen für Forschungsvorhaben 
    
 - kein ausdrückliches Verbot solcher Forschung, die nicht dem Wohl 
    des Embryos dient (wird allerdings in Deutschland so ausgelegt!) 
 
Entnahme von Organen und Gewebe von lebenden Spendern zu 
Transplantationszwecken 
Artikel 20: Schutz einwilligungsunfähiger Personen 
    - absolutes Verbot der Organentnahme 
    
 - lediglich die Entnahme von regenerierbarem Gewebe (z.B. haut oder Knochenmark) 
    wird im Ausnahmefall zum Zwecke der Lebensrettung unter Geschwistern unter 
    strikten Voraussetzungen erlaubt 
 
Verhältnis des Übereinkommens zu anderen Bestimmungen
Artikel 27: Weiterreichender Schutz 
    - es ist den Vertragsstaaten freigestellt, höhere Schutzstandards 
    einzuführen oder beizubehalten 
 
Kritikpunkte 
    - Bioethik-Konvention ist 
    
        - willkürlich, nicht nachvollziehbar und auch unbegründet, 
        da sie nur einen Teil der medizinischen Probleme aufgreift (Themenkomplexe 
        wie Euthanasie, Abtreibung und künstliche Befruchtung fehlen) 
    
 
     - die Bioethik-Konvention hat keinen wirklichen Adressaten 
    
        - zwar bezieht sie sich in ihrem Titel auf Menschenrechte und Menschenwürde, 
        doch wem diese Würde und Rechte zustehen, bleibt offen 
        
 - der Text definiert nicht die Begriffe ,menschliches Wesen' oder 
        ,Person' 
        
 - weil es keinen Konsens über diese Begriffe gibt, wird die Definition 
        den verschiedenen nationalen Gesetzgebungen überlassen 
        
 - dahinter steht eine Debatte, die in Deutschland vor allem durch 
        den australischen Philosophen Peter Singer bekannt geworden ist 
        
            - Singer vertritt die Lehrmeinung, dass ein Mensch nicht zugleich 
            auch eine Person sein muss 
            
 - Personen sind ihm zufolge Menschen, die sich selbst realisieren 
            können, über Bewusstseinsleistungen verfügen, selbstbestimmt 
            und zukunftsfähig sind 
            
 - deshalb sind nicht alle Menschen schon Personen: Hirntote sind 
            es nicht, Koma-Patienten zum Beispiel auch nicht, Föten und 
            Embryonen erst recht nicht 
        
 
     
     - sprachliche Unklarheiten 
    
        - im Artikel 1 des Übereinkommens wird noch die Würde "aller 
        Menschen" als Schutzgegenstand hervorgehoben 
        
 - im Artikel 5 sind aus Menschen schon "Betroffene" geworden 
        
        
 - während in Artikel 6 die Diktion erneut gewechselt hat und 
        von "Personen" die Rede ist 
        
 - zugunsten der Konvention ist bestenfalls anzunehmen, dass dahinter 
        lediglich eine sprachliche Schlamperei, aber kein System steckt. Im 
        Ergebnis unterscheidet sich dies freilich nicht 
    
 
     - gewollte Selektion: 
    
        - der Artikel 7 diskriminiert "Personen mit einer Geisteskrankheit", 
        weil er diese Gruppe betont hervorhebt und ihr unnötigerweise einen 
        eigenen Passus widmet, statt sie wie andere Patienten zu behandeln 
        
 - die Konvention etabliert ein Zweiklassensystem, da sie zwischen 
        Einwilligungsfähigen und Nichteinwilligungsfähigen differenziert 
        
        
            - während sich also Menschen, die im Vollbesitz ihrer geistigen 
            Kräfte sind, einem Forschungseingriff widersetzen können, 
            bleibt dies den sogenannten Nichteinwilligungsfähigen verwehrt 
            
            
 - sie können für ein wie auch immer definiertes höherrangiges 
            Ziel in Dienst genommen werden 
        
 
     
     - Widersprüche: 
    
        - Artikel 11, der ein Diskriminierungsverbot aufgrund der individuellen 
        genetischen Ausstattung eines Menschen festschreibt, gerät in Widerspruch 
        zu den folgenden Bestimmungen 
        
            - in Artikel 14 wird zur Vermeidung einer geschlechtsgebundenen 
            Krankheit, etwa der Hämophilie, Geschlechtsselektion zugelassen 
            
        
 
         - einwilligungsunfähigen Menschen wird auch bei einer Organentnahme 
        als Lebendspender die Selbstbestimmung genommen: ihnen darf in Notsituationen 
        "regenerierbares Gewebe" für enge Verwandte entnommen 
        werden 
    
 
     - mehrdeutig auslegbare Formulierungen: 
    
        - die Belege finden sich im Kleingedruckten: im erläuternden 
        Bericht zur Konvention 
        
            - in den Erläuterungen wird die Zukunft ungeniert ausgemalt: 
            "Wenn zur Zeit noch hauptsächlich die Transplantation 
            von Knochenmark unter Geschwistern die Bedingungen dieses Artikels 
            erfüllt, so wird mit der Formulierung ,regenerierbares Gewebe' 
            den rasanten Entwicklungen auf dem Transplantationssektor Rechnung 
            getragen." Mit diesem alles andere als dezenten Hinweis auf 
            den wissenschaftlichen Fortschritt ist ein Instrument geschaffen 
            worden, künftig die Entnahme von Organen und Gewebe beliebig 
            auszudehnen 
        
 
         - auch beim Paragraphen 20 der Konvention fällt ein entscheidender 
        Widerspruch - oder eine wiederum gewollte Ungenauigkeit - auf: Während 
        im Text des Artikels nur von regenerierbarem Gewebe wie Knochenmark 
        die Rede ist, wird in der Überschrift der Geltungsbereich auch 
        auf Organe ausgedehnt, damit also gleich der Zugriff zum Beispiel auf 
        Nieren und Teile der Leber vorbereitet 
    
 
 
 
8. Praktische Ethik nach Peter Singer 
    - Peter Singer ist überzeugt, in seinem Buch „Praktische Ethik", 
    einen Beitrag zum Leben im Sinne einer Humanisierung des Umgangs mit schwerstbehinderten 
    Kindern, unheilbar kranken und sterbenden Menschen geleistet zu haben 
    
        - Menschen werden als Objekte behandelt ohne am Gespräch beteiligt 
        zu werden 
    
 
     - Singer bezeichnete seinen Ansatz als modifizierten Utilitarismus bzw. 
    Präferenzutilitarismus, der jede Handlung für moralisch gut erklärt, 
    deren Folgen für die Menschheit überwiegend nützlich sind 
    
    
        - Merkmale des Utilitarismus 
        
            - primäres Entscheidungskriterium für oder gegen eine 
            Handlung ist Nützlichkeit 
            
 - der aus einer Handlung entstehende Nutzen soll sich auf eine 
            möglichst große Anzahl, im Idealfall auf alle betroffenen 
            Menschen beziehen 
        
 
         - im Präferenzutilitarismus tritt an die Stelle der nützlichen 
        Handlung der Begriff des Interesses, so dass eine Handlung dann als 
        moralisch gerechtfertigt angesehen wird, wenn durch die die Interessen 
        sowohl des Einzelnen als auch aller Betroffenen befriedigt werden 
    
 
     - es gehört wesentlich zum Menschen, Interessen zu haben 
    
        - es hat nur der ein Recht auf Leben, der dieses Recht auch selbst 
        vertreten und verteidigen kann 
    
 
     - gemeinsame Ansichten mit der Ideologie des Nationalsozialismus 
    
        - Zweckbestimmungen und Interessen sind hinreichend für die ethische 
        Begründung von Handlungsentscheidungen 
        
 - Vermeidung von Schmerz ist Handlungszweck, Zweck wird immer mehr 
        durch Interessen ersetzt, die nicht von den betroffenen Menschen ausgehen 
        
        
 - gehen von zeitlosem und abstraktem Personbegriff aus: Person ist, 
        wer gegenwärtig über sich selbst bestimmen kann 
    
 
     - spricht von der ungerechtfertigten Diskriminierung Behinderter, aber 
    gleichzeitig befürwortet er den Schwangerschaftsabbruch und Infantizid 
    bei schwerbehinderten Kindern 
    
 - Leben ohne Behinderung ist besser als Leben mit Behinderung 
    
 - Behinderte nehmen alle vorhandenen Hilfestellungen an, was die Aussage 
    stützt, dass ein Leben ohne Behinderung vorteilhaft ist 
    
 - es gibt einen guten Grund, eher Tiere für Experimente zu verwenden, 
    als „normale erwachsene Menschen": Vorwissen, Angst, Bewusstsein 
    
        - gleiches Argument gilt für die Verwendung von Säuglingen 
        oder schwer geistig Behinderten 
        
 - Unterscheidung zwischen nichtmenschlichen Wesen und Säuglingen/ 
        schwer geistig Behinderten nur dadurch, dass die letzteren zu unserer 
        Spezies gehören 
    
 
     - es gibt geistig behinderte Menschen, die weniger Anspruch als viele 
    nichtmenschliche Lebewesen, als selbstbewusst oder autonom zu gelten 
    
        - benutzen wir diese Eigenschaften dazu, eine Kluft zwischen Menschen 
        und anderen empfindungsfähigen Lebewesen aufzureißen, dann 
        siedeln wir diese Menschen auf der anderen Seite der Kluft an 
    
 
     - Singer verfolgt die Absicht, den Status der Tiere zu heben, nicht aber, 
    den der Menschen zu senken 
    
 - Singer schlägt vor, dem Leben eines Fötus keinen größeren 
    Wert zuzubilligen als dem Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens auf einer 
    ähnlichen Stufe der Rationalität, des Selbstbewusstseins, der 
    Bewusstheit, der Empfindungsfähigkeit usw. 
    
        - bis die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden vorhanden ist, beendet 
        ein Schwangerschaftsabbruch eine Existenz, die überhaupt keinen 
        Wert an sich hat 
    
 
     - nur die aktuellen Eigenschaften des Fötus wurden berücksichtigt, 
    nicht jedoch seine potentiellen 
    
 - Dammbruch-Argument: Standpunkt, dass das Leben eines Fötus (und 
    natürlich erst recht das eines Embryos) nicht mehr wert ist als das 
    Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens auf einem ähnlichen Stand 
    der Rationalität, des Selbstbewusstseins, der Bewusstheit, der Fähigkeit 
    zu fühlen usw. und dass, weil ein Fötus keine Person ist, ein 
    Fötus nicht den selben Anspruch auf Leben hat wie eine Person 
    
        - Argumente lassen sich ebenso auf Neugeborene wie auf Föten 
        anwenden 
        
 - wenn der Fötus nicht denselben Anspruch auf Leben wie eine 
        Person hat, dann hat ihn das Neugeborene offensichtlich auch nicht 
        
 - die Implikationen dieser Auffassung vom Status des neugeborenen 
        Lebens vertragen sich nicht mit der praktisch unbestrittenen Annahme, 
        dass das Leben eines neugeborenen Babys ebenso sakrosankt sei, wie das 
        eines Erwachsenen; manche meinen sogar, das Leben eines Babys sei kostbarer 
        als das eines Erwachsenen 
    
 
     - das Töten eines Säuglings kann nicht so schlimm sein wie das 
    Töten eines unschuldigen Erwachsenen 
    
 - der Infantizid ist etwas, was seiner Natur nach selbst der ängstlichsten 
    Phantasie nicht die geringste Beunruhigung verschaffen kann 
    
        - sind wir einmal alt genug, um diese Vorgehensweise zu verstehen, 
        sind wir bereits zu alt, um von ihr bedroht zu werden 
    
 
     - Beispiel Spina bifida 
    
        - wenn das Leben eines Kindes so elend sein wird, dass es sich aus 
        der inneren Perspektive des Wesens, das dieses Leben führen wird, 
        nicht zu leben lohnt, dann folgt, dass es, sofern keine äußeren 
        Gründe vorliegen, den Säugling am leben zu erhalten - etwa 
        die Gefühle der Eltern - besser ist, ihm ohne weiteres Leiden zum 
        Sterben zu verhelfen 
    
 
     - Beispiel Hämophilie 
    
        - Schädigung, die die Lebensaussichten eines Kindes bedeutend 
        weniger rosig erscheinen lassen als die eines normalen Kindes, aber 
        nicht so trübe, dass sich das Leben nicht doch zu leben lohnen 
        würde 
        
 - von diesem Leben ist zu erwarten, dass in der Bilanz Glück 
        über Unglück überwiegen wird; ihn zu töten hieße, 
        ihn dieser positiven Glücksbilanz zu berauben, und wäre daher 
        unrecht 
        
 - Frage, ob der Tod des hämophilen Säuglings zur Erzeugung 
        eines anderen Wesens führen würde, das sonst vielleicht nicht 
        existieren würde, das zweite Kind hätte dann vermutlich ein 
        besseres Leben als es das getötete gehabt hätte 
    
 
     - weder Hämophilie noch das Down-Syndrom beeinträchtigen das 
    Leben dermaßen, dass es sich aus der Innenperspektive der Person heraus 
    nicht mehr lohnt zu leben 
    
 - man mag immer noch einwenden, dass es unrecht sei, einen Fötus 
    oder ein Neugeborenes zu ersetzen, weil dadurch heute lebenden behinderten 
    suggeriert wird, ihr Leben sei weniger lebenswert als das Leben derer, die 
    nicht behindert sind 
    
        - wer leugnet, dass dieses im Durchschnitt gesehen so ist, verkennt 
        die Realität 
    
 
     - Menschen im vegetierenden Zustand unterscheiden sich nur unerheblich 
    von behinderten Säuglingen: sie sind nicht selbstbewusst, rational 
    oder autonom, und so sind Erwägungen des Rechts auf Leben oder des 
    Respekts vor der Autonomie hier nicht angebracht 
    
        - biologisch leben sie, aber nicht biographisch 
    
 
     - Beispiel Spina bifida - Holter-Klappe 
    
        - statt alle Fälle von Spina bifida zu behandeln, sollten nur 
        die für die Behandlung ausgewählt werden, bei denen der Schaden 
        in abgeschwächter Form auftritt 
        
 - dieses Prinzip der selektiven Behandlung ist heute fast überall 
        akzeptiert 
    
 
     - praktisch jeder muss anerkennen, dass es unter gravierenden Bedingungen 
    der einzig humane und moralisch vertretbare Weg ist, einen Säugling 
    sterben zu lassen 
    
        - die Frage ist nun: Wenn es richtig ist, zuzulassen, dass Säuglinge 
        sterben, warum ist es dann falsch, sie zu töten? 
    
 
 
Literatur: 
    - Eibach, Ulrich (1988): Gentechnik - der Griff nach dem Leben. Eine ethische 
    und theologische Beurteilung. Wuppertal: Brockhaus 
    
 - Grewel, Hans (1988): Brennende Fragen christlicher Ethik. Göttingen, 
    Zürich: Vandenhoeck & Ruprecht 
    
 - Grewel, Hans (1990): Recht auf Leben. Göttingen, Zürich: Vandenhoeck 
    & Ruprecht 
    
 - Knessel, Jürg (1989): Medizinische Ethik aus heutiger Sicht. Basel, 
    Boston, Berlin: Birkhäuser 
    
 - Müller, Dorothee (1997): Lebenswertes Leben und würdevolles 
    Sterben. Gießen: Psychosozial-Verlag 
    
 - Neumann, Josef (1997): Der Umgang mit dem Behinderten zwischen Ausgrenzung 
    und der „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens". In: Kleinert, 
    Stefan u.a. (Hrsg.): Der medizinische Blick auf Behinderung. Würzburg: 
    Königshausen und Neumann 
    
 - Singer, Peter (1994): Praktische Ethik. Stuttgart: Reclam 
    
 - Bundesministerium der Justiz (1998): Das Übereinkommen der Menschenrechte 
    und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und 
    Medizin - Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des 
    Europarats vom 4. April 1997 
 
